Yrmegard wurde als einziges Kind von Bechtold und Gertrud auf ihrem Hof bei Seeburg geboren. Zu dieser Zeit tobte ein übles Sommergewitter. Gertrud schrie aus Leibeskräften und verfluchte ihren Mann, der, total betrunken und voller Vorfreude, der Geburt beiwohnte. Die anwesende Hebamme hatte alle Hände voll zu tun, den Hieben, welche Gertrud nach allen Seiten austeilte, auszuweichen. Draußen blitzte und donnerte es und der Sturm blies den Ofen aus. Die Tiere waren voller Angst in ihren Stallungen und die Hunde hatten sich, mit eingezogenen Schwänzen, in die hintersten Ecken der Kammern verzogen. „Bechtold, du verdammter Bock, das wird dir noch Leid tun!“ brüllte Gertrud zwischen den Wehen und schlug mit den Fäusten auf das Bett. „Aber mein Täubchen, mein Augapfel, mein…“ lallte Bechtold mit geröteten Augen und fing sich eine schallende Ohrfeige seiner Frau ein, welche ihn zu Boden warf. „Du Lump! Versoffener, geiler Bock!“ brüllte Gertrud und schrie, als eine Wehe eine Welle des Schmerzes durch ihren Leib fahren lies. Yrmegard kam auf die Welt. Die Hebamme wickelte sie sofort in trockene Tücher und legte sie ihrer Mutter an die Brust, welche mit hochrotem Gesicht und schweißgebadet ihre Tochter umarmte. Yrmegard schlug die Augen auf, holte tief Luft und kreischte aus Leibeskräften, dass sogar das Gewitter und der Sturm übertönt wurden. „Ein Mädchen! Ein Mädchen! Bechtold, wir haben ein Mädchen!“ rief Gertrud froh und schloss erschöpft die Augen. Bechtold rappelte sich schwankend und grunzend auf und sah auf den kleinen, in Leinen gewickelten Menschen, der noch immer unablässig kreischte, die kleinen Fäustchen geballt und die Augen geschlossen. „Bei Talamon, es ist wahrlich ein Mädchen. Vielleicht wird das Nächste ja ein Knabe, ein starker…“ Weiter kam er nicht. Gertrud schlug ihm mit der metallenen Karaffe, welche neben dem Bett stand, wuchtig auf den Schädel. Er fiel um wie vom Blitz getroffen. „Dämlicher Lump!“ knurrte Gertrud und lies die Karaffe achtlos zu Boden fallen. Die Hebamme unterdessen betupfte ihre Stirn mit einem feuchten Tuch und hoffte, das ihre Arbeit hier bald getan sein würde. Yrmegard wuchs heran zu einem kräftigen Mädchen. Mit großer Freude lauschte sie den Geschichten Umherreisender, welche ihr die abenteuerlichsten Geschichten von edlen Rittern, tapferen Kämpfern und wilden Kreaturen erzählten. In ihr wuchs der Wunsch, irgendwann selbst einmal diese wundervolle Welt zu bereisen und an der Seite von Rittern und Soldaten große Schlachten zu schlagen. Ihren Eltern blieb dieser Wunsch nicht verborgen, jedoch gingen sie selbstverständlich davon aus, das Yrmegard auf dem Hof bleiben und früh heiraten würde. Trotzdem nahm sich ihr Vater hin und wieder Zeit, sie im Umgang mit Waffen zu schulen. Dies tat er nicht ohne Eigennutz. Denn häufig war er so betrunken, das er zwar eine Egge, aber keine Waffe mehr führen konnte und man hörte oft von Angriffen auf entlegene Höfe. Neben Yrmegard und ihren Eltern lebten neben dem Gesinde noch ihre Tante Herlinde und ihr Großvater Sigmund auf dem Hof. Tante Herlinde hatte bereits drei Ehemänner überlebt und konnte die köstlichsten Gerichte zubereiten. Sie war eine sehr üppige Frau, die gern lachte und der kleinen Yrmegard die wunderlichsten Geschichten über Männer erzählte. Natürlich verstand Yrmegard in jungen Jahren noch nicht, was ein „wilder Ritt hoch zu Ross“ oder „ein Eisen mit den Händen schmieden“ bedeutete, aber sie hörte dennoch zu und klatschte begeistert in die Hände, wenn ihre Tante nach dem zweiten Bier ihre Bettgeschichten zum Besten gab. Ihr Großvater Sigmund war ein stiller Mann, gezeichnet von den Jahren und voller Grimm gegen seinen Sohn, welcher den einst prächtigen und reichen Hof herunterwirtschaftete und den Titel Landjunker in seinen Augen gar nicht verdiente. Seine Hände waren durch eine schmerzhafte Krankheit krumm wie die Krallen der Vögel und auf dem linken Auge war er blind. Oft hustete er gequält und spukte dann in einen Napf, welcher rechts neben seinem Stuhl stand. Und noch häufiger fluchte er, denn die Krankheit zog sich durch alle Gelenke und machte selbst das Sitzen zur Qual. Er lehrte Yrmegard das lesen und schreiben und erwies sich als ein geduldiger und gütiger Lehrer. So begann Yrmegard, die Geschichten, welche sie hörte, niederzuschreiben, wann immer sie sich Tinte und Papier kaufen konnte. So oft wie möglich begleitete sie ihre Eltern in die Stadt, wo sie Eier, Milch, Gemüse und Getreide verkauften. Hier gab es so viel zu entdecken! Sie schaute Schmieden bei der Arbeit zu, lachte über die Späße der Gaukler und hörte den Barden zu, die die Heldentaten von tapferen Männern besangen. Eines Tages, Yrmegard war 7 Jahre alt, sah sie eine Hure an einer Hauswand gelehnt stehen. Die Frau trug ein sehr knappes Kleid, bunte Bändern in den Haaren und ein süßes Lächeln auf den vollen Lippen, was Yrmegard sehr gefiel. Sie lief zu der Hure und fragte sie neugierig, was sie hier tat. Die Hure antwortete ihr: „Ich schenke Männern Freude.“ „Ui, das tut meine Tante auch! Ist es eine anstrengende Arbeit?“ „Manchmal schon, aber man kann gut davon Leben. Man bekommt viel zu sehen und langweilig wird es nie.“ Da lief Yrmegard zu ihrer Mutter, welche ihren Kohl und die Kartoffeln ausrief und zupfte ihr am Rock. Dann zeigte sie auf die Hure, welche grade mit einem Freier über den Preis feilschte und rief begeistert aus: „Schau mal Mutti, wenn ich älter bin, will ich auch so werden wie die Dame dort an der Wand.“ Ihre Mutter lies den Kohlkopf fallen, den sie einer Bäuerin reichen wollte und gab ihrer Tochter eine schallernde Ohrfeige. „Wofür war das denn?“ fragte Yrmegard schmollend und hielt es dann für klüger, ihrer Mutter eine Weile aus dem Weg zu gehen. Als sie 11 Jahre alt war, wurde der Hof von einer umherziehenden Horde Orks überfallen. Sie kamen bei Einbruch der Dämmerung, mit schartigen Schwertern und lautem Geschrei. Bechtold erschlug zwei von ihnen, wenn auch nur mit einer großen Portion Glück, denn er war sturzbetrunken. Gertrud schlug einen weiteren mit einem Nudelholz in die Flucht und den Knechten gelang es, sich mit Speeren und Mistgabeln gegen einen weiteren zur Wehr zu setzen. Yrmegard hielt in der linken Hand eine Bratpfanne und in der Rechten ein kurzes Schwert, das sie einem Ork in den Oberschenkel rammte. Die Familie überstand den Überfall mit leichten Schnittwunden und Blessuren und ohne große Verluste, jedoch brannte sich dieser Vorfall tief in Yrmegards Herz und sie begann, die Orks aus tiefsten Herzen zu hassen. Ihr Großvater berichtete ihr zudem von ganzen Dörfern, welche von Orks innerhalb einer Nacht niedergebrannt und geplündert wurden, von dämonischen Riten der Wesen und ihrer Ehrlosigkeit. „Niederes Pack! Allesamt feige und dumme Viecher!“ pflegte er zu sagen und spuckte in seinen Napf. Als Yrmegard 16 Jahre alt war starb ihr Vater. Man fand ihn eines Morgens neben dem Misthaufen liegen, den Bierkrug noch in den taufeuchten und steifen Fingern und ein seliges Lächeln im Gesicht. Bald darauf heiratete ihr Mutter wieder, einen schmalbrüstigen und einfältigen Mann mit dem Namen Thadeus. Er gehörte dem Landadel an und war das Kind von Cousin und Cousine ersten Grades. Obwohl er nicht sehr gescheit war brachte er jedoch viel Geld, Gesinde und Land mit in die Ehe. Seine Verwandtschaft war froh, ihn los zu sein und Gertrud hatte nun ein sorgenfreies Leben und einen Mann, den sie nach Herzenslust herumkommandieren konnte. Mehr als einmal hatte er ein blaues Auge, weil er die Finger nicht von den Mägden lassen konnte. Yrmegard konnte ihn nicht ausstehen. Er wusste weder eine Waffe zu führen, noch vertrug er den Met, der bei Festen in Strömen floss. Ständig nörgelte er an allem und jeden herum und versuchte sogar, Yrmegard mit seinem Vetter Vridel zu verkuppeln. Yrmegard täuschte daraufhin eine Geisteskrankheit vor und entkam so einer Vermählung. Sie wollte nicht die Ehefrau spielen, Kinder gebären und Abend Wolle spinnen. Es zog sie hinaus in die Welt. Mit 18 Jahren ging sie zu ihrer Mutter, welche in der Küche saß und den Mägden bei der Arbeit zusah. „Mutter, wir müssen reden. Ich halte es hier nicht mehr aus. Der Hof ist mir schon lange zu klein. Und Thadeus ist mir ein Furunkel am Hintern. Ich werde noch etwas sparen und dich dann verlassen.“ „Kind, wovon willst du leben? Wo willst du schlafen? Auch der schönste Sommer geht vorüber und der Winter wird kommen, mit Frost und wilden Tieren.“ „Ich komme schon zurecht. Vielleicht schließe ich mich einer Söldnertruppe an oder schenke in einem Wirtshaus aus.“ „Oder wirfst dich den Männern an den Hals und verdienst so dein Geld! Überleg es dir gut, Kind. Hier wird für uns gut gesorgt. Wer weiß, was dich in der Welt erwartet!“ „Das weiß ich erst, wenn ich es erlebe. Ich will die Welt kennenlernen.“ Mit 20 Jahren, im Frühling, zog sie aus. Sie hatte viel Geld gespart und nächtigte in vielen Gasthäusern. Dieben und Betrügern begegnete sie mit den Fäusten und der Schwertspitze. Eine Weile lebte sie in der Gesellschaft von Anhängerinnen der Oruhna in Karneburg, bis es ihr zu langweilig wurde und sie wieder das altbekannte Fernweh spürte. Eine Zeitlang zog sie mit Sängern und Musikern umher, tanzte zu ihrer Musik und saß mit ihnen am Feuer, wo sie ihren Geschichten lauschte und selbst einige erzählte. Eines Tages, es hatte sie in ein kleines Dorf verschlagen und arbeitete dort im Wirtshaus, wurde das Dorf von einer Meute Orks angegriffen. Voller Wut und Leidenschaft stellte sie sich den Feinden entgegen. Nach der Schlacht lernte sie den Ritter Sir Nicholas kennen, dessen Schwert furchtbar unter den Orks gewütet hatte. Sie sprach ihn an und fragte, ob in seinem Geleit noch ein Platz zu vergeben sei. Er maß sie eine Weile schweigend. „Was kannst du, was interessant für mich wäre?“ „Sire, ich kann kämpfen, kochen, lesen und schreiben. Nur zu gern würde ich eure Geschichte niederschreiben, sodass euer Ruhm und eure Taten die Zeit überdauern und noch viele zukünftige Generationen euren Namen kennen und ihn voller Ehrfurcht aussprechen.“ Sir Nicholas hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Sein Blick glitt über die toten und verstümmelten Leichen der Orks zu Yrmegards Schwert. Als der Trupp ein paar Tage später weiterzog führte Yrmegard das Packpferd neben sich. Sie lächelte und ihr Blick verriet, dass sie nun endlich an ihrem Ziel angelangt war.